Was sich erst einmal anhört wie ein Bauteil aus dem Warp-Antrieb des Raumschiffs Enterprise, ist eines der meistverordneten Medikamente der Welt: Protonenpumpenhemmer. Seit der Markteinführung der Magensäureblocker im Jahr 1988 ist die Zahl der von Ärzten verschriebenen Tagesdosen in Deutschland auf unglaubliche 3683 Millionen im Jahr 2015 gestiegen (laut Arzneiverordnungs-Report 2016). Doch seit einiger Zeit wird vermehrt Kritik an dem vermeintlichen Wundermittel laut, das nach einer Studie der BARMER-Krankenkasse rund jedem sechsten Deutschen regelmäßig verschrieben wird. Doch bevor wir uns dem für und wider widmen, werfen wir erst einmal einen Blick auf die Funktion von Magen und Magensäure.
Magensäure: Aggressiv aber wichtig
Die Protonenpumpe (eigentlich Protonen-Kalium-Pumpe) ist, anders als der Name vermuten lässt, kein Organ, sondern bezeichnet ein Enzym mit dem sperrigen Namen H+/K+-ATPase. Dieses Enzym befindet sich in den sogenannten Belegzellen des Magens und ist für den Transport von Protonen aus der Zelle hinaus und den Transport von Kalium in die Zelle hinein verantwortlich. Bei diesem Prozess wird (stark vereinfacht) Magensaft, besser bekannt als Magensäure, gebildet. Und das im großen Stil: Täglich werden im Magen etwa zwei bis drei Liter Magensäure produziert. Die darin enthaltene Salzsäure bedingt ein saures Magenmilieu mit einem pH-Wert von ca. 1 bis 1,5. Wäre der Magen nicht von innen mit der schützenden Magenschleimhaut ausgekleidet, würde er sich durch die aggressive Magensäure zersetzen und quasi selbst verdauen.
Bei der Bildung von Magensäure unterscheidet man drei Phasen. Zuerst kommt die „Kopfphase“ (Cephale Phase): Bereits der Anblick von Essen kann die Produktion von Magensäure in Gang setzen, ebenso ein Geräusch wie Besteckklappern oder der Duft eines Bratens. Diese Sinnesreize werden vom vegetativen Nervensystem, dem Parasympathikus, an den Magen weitergeleitet, der dann weiß: Achtung, gleich gibt‘s was zu verdauen! Es folgt die „Magenphase“ (Gastrische Phase), während der die größte Menge an Magensäure produziert wird, sobald der Magen sich mit Nahrung füllt und die Magenwand gedehnt wird. Wenn der Nahrungsbrei den Zwölffingerdarm erreicht, beginnt die „Darmphase“ (Intestinale Phase), während der Hormone dafür sorgen, dass die Produktion der Magensäure wieder heruntergefahren wird.
Ist dieses komplexe System im Gleichgewicht, macht die Magensäure genau das, was sie soll: Sie hilft die Nahrung aufzuspalten und zu verdauen. Darüber hinaus tötet sie unerwünschte Keime ab und besitzt eine bakterizide Wirkung. Produzieren die Belegzellen des Magens jedoch zu viel Magensäure, spricht man von einer Magenübersäuerung (Hyperazidität). Die häufigsten Ursachen hierfür sind eine ungesunde Ernährung, Koffein, Nikotin, Stress sowie die häufige Einnahme magenreizender Medikamente. Dauert diese Übersäuerung länger an, kann das zur Magenschleimhautentzündung (Gastritis), oder einem Magen- bzw. Zwölffingerdarmgeschwür führen. Gelangt ein Teil der Magensäure in die Speiseröhre (Reflux) ist Sodbrennen und langfristig eine Schädigung der Speiseröhrenschleimhaut die Folge. Genau diese Beschwerden sollen Protonenpumpenhemmer lindern oder besser noch vermeiden. Aber speziell bei Sodbrennen geht diese Rechnung nicht auf.
Die Wirkungsweise von Protonenpumpenhemmern
Wie der Name bereits verrät, hemmen Protonenpumpenhemmer (kurz PPI für Protonenpumpeninhibitor) die Protonenpumpe. Das Medikament wird im Darm resorbiert und gelangt dann mit dem Blutstrom in den Magen und die Belegzellen, die daraufhin die Produktion von Magensäure einstellen oder deutlich verringern. Die in PPI enthaltenen Wirkstoffe heißen Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol, oder Rabeprazol. Wer ein Magenmedikament einnimmt, und nicht genau weiß, ob es sich um PPI handelt (z.B. Antra MUPS, Nexium, Lanzor oder Rifun), sollte auf dem Beipackzettel unter den Inhaltsstoffen nach dem Suffix „-prazol“ suchen. Und wenn man den Zettel schon in der Hand hat, lohnt auch ein Blick auf die Nebenwirkungen, von denen es reichlich gibt. Für ein Magenmedikament am erstaunlichsten ist die Auflistung der (möglichen) Nebenwirkungen Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, Verstopfung sowie Bauchschmerzen und Unwohlsein. Das Sodbrennen ist zwar weg, aber ansonsten…?
Einmal PPI, immer PPI?
Die regelmäßige Einnahme von PPI birgt die Gefahr einer Abhängigkeit von dem Medikament. Damit ist keine psychische Suchterkrankung gemeint, sondern die körperlichen Auswirkungen des sogenannten Rebound-Effekts. Werden die Belegzellen längere Zeit durch PPI an der Produktion von Magensäure gehindert, reagieren sie auf das Absetzen des Medikaments mit einer deutlich erhöhten Aktivität. Die Folge: Es wird mehr Magensäure ausgeschüttet als vor der Einnahme und die Beschwerden wie Sodbrennen sind sofort wieder da. Dagegen helfen natürlich PPI und der Kreis schließt sich.
PPI nur bei eindeutiger Diagnose
Ärzte, die bei häufigem Sodbrennen schnell mit einem PPI-Rezept wedeln, sollten ihre Verschreibungs-Taktik überdenken. Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber der Fachzeitschrift „arznei-telegramm“ sagt dazu: „Bei einer eindeutigen Diagnose wie einem Ulkus (Magengeschwür) ist der Nutzen klar belegt. Aber wenn es keinen klaren Grund gibt, die Mittel zu verschreiben, kommen die Risiken zum Tragen.“ Und dass die Mittel schnell und oft ohne triftigen Grund verschrieben werden, belegt eine Untersuchung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft an 500 Patienten: In 58 Prozent der Fälle ließ sich kein sinnvoller Grund für eine Weiterverordnung erkennen.
Alternativen zu PPI
Vor allem unangenehmes Sodbrennen gehört zu den häufigsten Gründen für die Einnahme von PPI. Diese lösen das Problem aber nur kurzfristig und führen beim Absetzen eher zu einer Verschlimmerung der Beschwerden. Alternative Methoden und Mittel gegen Sodbrennen sind:
- möglichst alles vermeiden, was vor der Einnahme von PPI zu Sodbrennen geführt hat
- Heilerde oder Bentonit (Mineralerde)
- eingeweichte Flohsamen oder Leinsamen
- der Saft einer geriebenen und ausgedrückten Kartoffel
- einige zu Brei gekaute und in kleinen Portionen geschluckte Mandeln
- das Kauen von ungesüßtem Kaugummi (der dabei produzierte Speichel schützt die Speiseröhre)
- viele kleine Mahlzeiten statt weniger großer
- wenig Kaffee, Schwarztee, Alkohol oder kohlensäurehaltige Getränke, mehr stilles Wasser und Kräutertees (z.B. Kamille oder Ingwer)
Wer schulmedizinisch etwas gegen Sodbrennen machen möchte, sollte auf sogenannte Antazida zur Neutralisierung der Magensäure zurückgreifen, beispielsweise Rennie oder Maaloxan.
Das mit dem Sechstel der Deutschen finde ich aber heftig, das hätte ich nicht erwartet.
Ansonsten vielen Dank für den Tipp!